Hinter dem Fußballplatz von Andelsbuch sprudelt eisiges Wasser aus der Brühlgrotte und fließt spiegelhell über Kieselsteine in eine Wassertrete. Eine Bäuerin kühlt ihre Füße. Eine Büroangestellte verbringt dort ihre Mittagspausen. Ein Anwohner dreht im Storchenschritt seine Runden. All das ist so wirksam wie damals, als der Pfarrer Sebastian Kneipp das heilsame Zusammenspiel von Wasser, Bewegung, Heilkräutern, Lebensordnung und Ernährung erkannte. Er gilt als Begründer moderner Naturheilverfahren und gehört laut „New York Times“ zu den drei berühmtesten Deutschen seiner Zeit – nach Bismarck und dem deutschen Kaiser.
„Saufe wöllet se alle, aber sterben will keiner“
Als Sebastian Kneipp 1821 im Allgäu zur Welt kommt, weiß man nicht, was gesund ist. Kinder trinken Kaffee und Schnaps. Frauen zwängen ihre Körper in Korsetts. Man hält ein Kilo Fleisch für gleich nährend wie ein Kilo Mehl. Antriebslosigkeit, schmerzende Gelenke und Haarausfall gehören noch zu den harmlosen Folgeschäden. Fäkalien landen im Trinkwasser. Mörderische Epidemien ziehen durchs Land. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist halb so hoch wie heute. Da taucht, laut und leidenschaftlich, Pfarrer Sebastian Kneipp in seiner braunen Soutane auf. Er hält glühende Reden und konfrontiert die Menschen mit kernigen Aussagen, die bis heute Geltung haben.