Die Vorarlberger Braunen erinnern mich an Cartoons von Gary Larson. Die Kühe des amerikanischen Zeichners wirken ziemlich intellektuell. Wie die Vorarlberger Braunen auf der anderen Seite des Zauns, die Wiesengeschöpfe im Bregenzerwald. In ihren braun-beigen Schattierungen, die sich über Fell, Puschelohren und das Kuhgesicht ziehen, wirken sie so als hätten sie gerade ein philosophisches Schwätzchen gehalten, bevor eine rief „Achtung, Wanderer!“. Wanderer, das sind wir. Der letzte Tag unserer Wanderung auf der östlichen Höhenroute hat begonnen. Zwischen Hirschberg und Diedamskopf sind wir auf die Kühe gestoßen. Mit ihren basstiefen Glocken um den Hals bringen sie ein wenig zen-buddhistischen Klostersound in das Tal. In Sibratsgfäll ging es heute los. Die Beine sind wieder ein wenig leichter nach dem Frühstück im „Hirschen“.
Als wir das Dorf hinter uns lassen, wird es allmählich stiller. Wir steigen hügelan. Und dann auf den nächsten Hügel. Im Rücken ein angenehmes Gefühl der Unbeschwertheit. Das ist das Besondere an dieser Tour: Unser Gepäck wartet schon an unserem Ankunftsort am Abend, drüben auf der anderen Seite jener Berge, die wir uns sanft Kilometer für Kilometer erschließen. Am Abend wird der durchblutete, matte Körper wieder in die weißen Laken gleiten. Adieu, Heustadel und kalte Nächte in feuchtem Heu, gönnen wir uns das weiche, warme Bett! Bei diesen Touren wird unbeschwert gewandert und bequem genächtigt.
Unterwegs belebt uns die Natur: Gemütlich geht es durch Auen und an Waldrändern entlang. Eisenkraut, stinkender Storchenschnabel und wilde Minze säumen den Weg. Wer sich am Abend zuvor zu sehr am Enzianschnaps labte, könnte nun etwas vom Storchenschnabel auf die Stirn reiben. Der Kopfschmerz muss freilich groß sein. Denn das wilde Kraut wirkt zwar wunderbar gegen Kopfschmerz, ist als Parfum jedoch untauglich – es stinkt erheblich. Wenige Kilometer weiter wächst in einem Flussbett hinter einer Holzbrücke Huflattich. Auf den Kopf gesetzt, verdecken seine Sombrerogroßen Blätter mürrische Mienen und schützen vor allem vor allzu starkem Sonnenlicht. Aussehen tut man damit wie ein Wesen aus dem Urwald. Der Weg, dem wir nun folgen, ist offenbar beliebt. Die entgegen kommenden Wanderer sorgen für Abwechslung: Paare in rot-kariertem Partnerlook, knackige Barfußlatschenträger, Männer mit rund gewölbten Wohlstandsbäuchen und quietschenden Wanderstöcken, jauchzende Kinder. Im Winter dient der Weg als Loipe. Ob man da dieselben Menschen trifft?